POP auf der re:publica Berlin
“The Power of People” oder “Power to the People”? An meinem zweiten Tag bei derkontext.com steige ich im Licht der Abendsonne am Gleisdreieck in Berlin aus und lande mitten in einer bunten Menschenmenge, die viel bewegen will und Demokratie dabei sehr groß schreibt. Im großen Außenbereich vor der Messe stehen sie bei Snacks, Berliner Pilsener und Musik. Sie diskutieren, tauschen sich aus und “lassen sich treiben”, wie sie über sich selbst sagen.
Es ist jetzt Dienstagabend, Feiertag. Morgen, am Mittwoch, geht es richtig los mit der re:publica, der größten Konferenz rund um die digitale Gesellschaft in Europa. Julia und Bernhard sind schon zum x-ten Mal dabei. Ich habe gerade erst in München angefangen und werde gleich nach Berlin geworfen – zur ersten re:publica meines Lebens.
Während Bernhard und Julia sich auf ihren Talk vorbereiten, in dem sie zusammen mit dem MIZ über neue Erfindungen für den Journalismus sprechen, bin ich hin- und hergerissen zwischen Sessions, Messeständen und Veggieburger. Ich bekomme viel Input, den ich erst einmal gar nicht verarbeiten kann, lasse mich auch ein wenig treiben und genieße die Sonne. Chelsea Manning, Sibylle Berg, Rangar Yogeshwar und viele weitere bekannte Gesichter treten auf. Ständig treffe ich auf der Messe und im Außenbereich zufällig Wissenschaftler, Chefs bekannter Startups, renommierte Journalisten, und oft passiert es mir, dass jemand zufällig vorbeiläuft, den ich bis jetzt nur aus dem Fernsehen kenne. Nur wenige sind hier “nur zum Spaß”, die Atmosphäre könnte trotzdem nicht entspannter und freundlicher sein.
POP (the Power of People) ist das Motto der diesjährigen re:publica, und viele der Vorträge drehen sich um diesen Themenschwerpunkt. Das Bändchen und die Gestaltung sind in sattem Grün gehalten – und das nicht nur, um einen schönen farblichen Akzent zu setzen. An verschiedenen Stellen auf der re:publica waren Greenscreens aufgebaut, der beliebteste davon wohl ein grünes Bällebad. Durch eine eigens für die Konferenz entwickelte App konnte man hier beliebige Bilder einfügen. Wozu der Spaß? Auf der einen Seite sollten die Besucher angehalten werden, mitzugestalten, auf der anderen ist dies ein Hinweis auf Fake News und die Möglichkeiten der Manipulation im Zeitalter der Digitalisierung – Glaubt nicht alles, was ihr seht! Vielleicht ist das Meer doch nur ein grünes Bällebad mitten in Berlin.
Menschen verändern Medien und Medien verändern Menschen – auf der re:publica und weltweit. danah boyd (sic!) spricht in ihrer Opening Keynote über Trolls, die Talkshow-Moderatorinnen blamieren und Rassismen, die sich in der Google-Suche widerspiegeln, ohne dass das Unternehmen dies beabsichtigt. Der Ton der Talks ist enthusiastisch, was neue Technologien angeht, aber sehr kritisch und misstrauisch den Mächtigen gegenüber. Dass die Bundeswehr direkt vor dem Veranstaltungsgelände versucht, Programmierer zu rekrutieren, sieht man hier nicht so gerne, und viele finden es auch eher befremdlich, dass manche hier in Anzug und Krawatte erscheinen.
Am letzten Tag ist für mich um 15 Uhr nachmittags “Feierabend”, und während meine Kollegen schon unterwegs zurück nach München sind, genieße ich die letzten Stunden auf Bierbänken mit Käseplatte und politischen Diskussionen. Ich habe in den drei Tagen in Berlin unglaublich viel mitgenommen und sehr interessante Menschen getroffen. Die Talks, Diskussionen und die Gespräche haben mich sehr beeindruckt. Ich komme bestimmt wieder – ob wieder beruflich oder mit Bekannten als freiwilliger Helfer.